Hand aufs Herz, liebe Laufveranstalter und Triathlon-Organisatoren
Wie klimaneutral ist Ihre Veranstaltung?
Aus meiner langjährigen eigenen Läuferkarriere als Hobby-Marathoni weiß ich, wovon ich spreche. Bei den meisten Laufveranstaltungen ist es um das Thema Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität nach wie vor eher schlecht bestellt – abgesehen von positiven Beispielen einiger Vorreiterevents. Das Problem fängt zumeist mit der Anreise der Teilnehmer an. Die meisten kommen mit dem Auto – nicht selten mit einer langen Anreise. Bereits am Vortag auf den Laufmessen fällt jede Menge Müll an, bedingt durch Aussteller und Standbau sowie Verpflegungsbereiche mit Wegwerfgeschirr usw. Jeder Teilnehmer erhält bei der Abholung der Startunterlagen einen Starterbeutel, in dem sich Unmengen an nutzlosen Werbeartikeln und Flyern finden. Ca. 90 % sind Wegwerfartikel und in meinem Fall immer direkt in den Müll gewandert – man empfindet ein Glücksgefühl, wenn mal was Brauchbares dabei ist. Welch eine Verschwendung an Ressourcen – muss das wirklich sein?
Auf der Veranstaltung selbst sieht es meist auch nicht besser aus. Überquellende Mülleimer in den Zuschauerbereichen und Wegwerfgeschirr in den Verpflegungszonen allerorten. Mehr und mehr Veranstalter setzen neuerdings auf Wegwerf-Zeitnahmechips, die bestenfalls im Restmüll landen. Hinzu kommt dann noch das x-te Finishershirt aus Baumwolle, produziert und geliefert aus China. Auch die Medaillen kommen nicht selten ebenfalls vom anderen Ende der Welt, da sie dort billiger produziert werden können. Marathonveranstaltungen dieser Art hinterlassen einen großen CO2-Fußabdruck.
Und das Problem ist tatsächlich erheblich:
- Alleine in Deutschland sprechen wir von ca. 4.300 Ausdauersportveranstaltungen pro Jahr mit ca. 3,2 Mio. Teilnehmern. Zuschauer nicht eingerechnet.
- Nimmt man an, dass jeder Teilnehmer ca. 2 kg Restmüll direkt oder indirekt erzeugt, kommt man alleine in Deutschland pro Jahr schon auf 6.400 Tonnen Müll – nur bei den Teilnehmern.
Hier schlummern riesige Potenziale für Veranstalter und Umwelt, die bis jetzt weitgehend ungenutzt sind. Generell kann man aber feststellen:
Der Trend zu ökologisch verträglicheren und klimaneutralen Veranstaltungen verstärkt sich und das Thema gewinnt an Relevanz.
Abfall und Verkehr sind bei Laufveranstaltungen die Stellhebel
Ausdauerevents verursachen vor allem zu viel Verkehr und Müll Im Bereich der Marathon-, Triathlon- und anderen Laufveranstaltungen sind die wichtigsten Handlungsfelder zweifelsfrei die Themen Abfall und Verkehr. Wer hier etwas optimiert, setzt gleich an den richtigen Stellhebeln an und kann damit nicht nur etwas für die Umwelt tun, sondern letztendlich auch einen beträchtlichen Imagegewinn daraus ziehen. Denn ein nachhaltig ausgerichtetes Event leistet nicht nur einen konkreten Beitrag zum Umweltschutz, sondern bringt auch einen Marketingvorteil gegenüber Sponsoren, Förderern und in der Öffentlichkeit mit sich.
Werden Sie also aktiv und nutzen Sie die Vorteile in Ihrer Kommunikation mit (potenziellen) Sponsoren und der Öffentlichkeit. Nicht selten unterstützen Sponsoren die Umweltziele der Veranstalter – die im Idealfall auch in den Sponsoringverträgen verbindlich festgehalten sind.
Maßnahme 1: Den CO2-Fußabdruck von Laufveranstaltungen minimieren
Eine der größten Herausforderungen bei Veranstaltungen sind die negativen Umweltauswirkungen in Form von CO2-Emissionen, die durch die An- und Abreise der Teilnehmer und der Zuschauer entstehen. Gerade die größeren Blockbusterveranstaltungen ziehen Teilnehmer und Besucher aus dem gesamten In- und Ausland an. Lösungsansätze finden sich hier – eigentlich wenig überraschend – im Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn. Um dies als interessante Alternative zum Auto oder Flugzeug schmackhaft zu machen, bieten sich Kooperationen mit öffentlichen Verkehrsbetrieben in Form von Kombitickets an, die direkt mit der Veranstaltungsanmeldung ausgewählt und ggf. mitbestellt werden können. Daneben kann auch der Einsatz spezieller Bonussysteme in Form von Ermäßigungen auf Essen und Getränke oder andere Extraleistungen empfehlenswert sein, die einen Anreiz zum Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsträger bieten.
Egal welchen Weg man wählt, die Maßnahmen müssen richtig kommuniziert werden: ein relevantes Angebot muss zur richtigen Zeit an die richtigen Adressaten gerichtet werden. Auch wenn darüber hinaus Sonderzüge oder erhöhte Taktfrequenzen im ÖPNV angeboten werden, kommen dann immer noch viele mit dem PKW, so dass man auch hier optimieren kann. P&R kann direkt mit der Anmeldebestätigung auf der Veranstaltungswebsite oder in mit E-Mails kommuniziert werden. Eine gut sichtbare Beschilderung hilft beim Leiten der PKW-Ströme, so dass unnötiges Herumfahren minimiert wird. Im direkten Umfeld der Marathon-Veranstaltung können E-Autos und E-Busse eingesetzt und so nochmals CO2 eingespart werden. Weitere CO2-Einsparungspotenziale liegen beim Bezug von Strom für das Event. Wie im privaten Umfeld kann hier gezielt Ökostrom bezogen werden. Klar ist, dass natürlich trotzdem CO2 anfällt und es sich nur bis zu einem gewissen Niveau reduzieren lässt. Daher können Sie als Veranstalter entweder selbst CO2 kompensieren oder dies auch als Zusatzangebot Ihren Teilnehmern anbieten. Ich selbst habe solch ein Angebot noch bei keiner Veranstaltung gesehen oder bei der Anmeldung als Option angeboten bekommen – warum eigentlich nicht?
Als Veranstalter gehen Sie folgendermaßen vor:
- Zunächst bilanzieren Sie die Menge an klimaschädlichen Gasen, die durch die Veranstaltung entstehen. Dafür berechnen Sie den CO2-Fußabdruck Ihrer Veranstaltung.
- Hierfür eignen sich CO2 Rechner wie der von myclimate der in einer speziellen Version für Veranstaltungen zur Verfügung steht.
- Anschließend können Sie in Klimaschutzprojekte investieren, die nachweislich die Emissionen von Veranstaltungen kompensieren. Konkret sind das CO2-Einsparungsprojekte in Entwicklungsländern oder zum Aufbau erneuerbarer Energien Deutschland. Hier sollten Sie Projekte von international anerkannten Institutionen wie dem „Gold-Standard“, dem höchsten Qualitätsstandard bei Kompensationsprojekten, auswählen. Dieser Standard wurde von WWF und dem Bundesumweltministerium entwickelt und berücksichtigt nicht nur die CO2 Kompensation, sondern bezieht auch die ökologischen und sozialen Aspekte mit ein. Eine kompensierte Tonne CO2 kostet im „Gold-Standard“ zwischen 1-30 Euro.
- Aus Erfahrungswerten weiß man, dass ein Teilnehmer das ganze Marathonwochenende ca. 50 kg CO2 im Durchschnitt freisetzt. Dies ergibt eine Kompensationszahlung zwischen 5 Cent und 1,50 Euro – ein Betrag, den entweder Sponsoren gerne übernehmen oder den Teilnehmern bei der Anmeldung als freiwillige Option angeboten werden könnte
Maßnahme 2: Als Laufveranstalter die Müllberge in den Griff bekommen
Generell gilt bei der Müllbewältigung: Abfallvermeidung oder Precycling (z. B. durch Wiederverwendbarkeit der Produkte) hat die höchste Priorität. Nicht vermeidbarer Abfall sollte nach Sorten getrennt und umweltverträglich entsorgt bzw. dem Wertstoffkreislauf über Recycling wieder zugeführt werden. Bei allen Verbrauchsmaterialien sollten Sie auf ökologisch vorteilhafte Produkte setzen, die im Idealfall aus nachwachsenden Materialien hergestellt, gleichzeitig hundertprozentig recycelbar oder schon aus Recyclingmaterial hergestellt sind, wie z. B. Drucksachen aus Umweltpapier oder Starterbeutel aus Recyclingkunststoff. Im Bereich der Kunststoffprodukte und Leichtverpackungen geben Sie Becher am besten als Mehrweg mit Pfand aus. Der Einsatz bei Verpflegungsstationen erlaubt aber – dem Wettkampfgeschehen geschuldet – nur Einwegbecher, daher können Sie entweder über den Einsatz von Faltbechern nachdenken, oder trotzdem auf Einwegbecher setzen und diese dann getrennt sammeln und recyceln.
Generell lohnt das Recycling von Leichtverpackungen und Kunststoffen, wie z. B. Folien. Diese haben die beste Klimabilanz aller verwertbaren Abfälle und trägen so überproportional zum Klimaschutz bei. Obwohl in der Regel fünf Mal mehr Restmüll als Leichtverpackungen anfällt, trägt das Recycling von Leichtverpackungen 19 Mal mehr zur Entlastung des Klimas bei als die Verwertung des Restmülls. In konkreten Zahlen wird durch Recycling von Polyethylen bzw. LDPE – einem typischen Folienmaterial von leichten Verpackungen – durch Recycling eine Einsparung von 1,19 Tonnen CO2 pro Tonne LDPE erzielt – das entspricht einer Reduzierung von rund 70 %.
Als umweltfreundlich geltende Produkte, z. B. aus dem Biokunststoff PLA oder „PLA-Blends“ im Verbund mit anderen Materialien, sind unter Umständen nur kompostier-, aber nicht recycelbar. Dies ist wenig hilfreich, da selbst bei getrennter Sammlung des Wertstoffes in den industriellen Recyclinganlagen nicht ausreichend Zeit ist, um diese wirklich zu kompostieren. Im Regelfall werden solche Produkte letztendlich verbrannt. Am PLA-Recycling selbst wird aktuell noch geforscht. Achten Sie daher bei Biokunststoffen unbedingt auf hundertprozentige Recycelbarkeit. Recyclingfähigkeit alleine reicht wiederum aber auch nicht. Voraussetzung ist gleichzeitig die getrennte Sammlung nach Materialien. Die Wertstofftrennung ermöglicht, an den sogenannten Sekundärrohstoff (z. B. Kunststoffe) heranzukommen und diesen wiederzuverwenden. Somit wird Primärrohstoff (z. B. Erdöl bei Kunststoffen) eingespart, der bei der Gewinnung und Herstellung erheblicher Energie bedarf. Wenn diese Energie wiederum aus fossilen Energieträgern stammt, wird CO2 freigesetzt. Die Sammlung und Wiederaufbereitung setzt zwar auch etwas CO2 frei, ist aber im Vergleich zur Gewinnung der Primärrohstoffe deutlich geringer.
Die Mülltrennung lässt sich am besten mit Recycling Points (Wertstoffsammelinseln) umsetzen, die entsprechend in Sichthöhe beschriftet, die Wertstoffe nach Gruppen aufnehmen. Hier sollten Sie darauf achten, dass diese am richtigen Platz im Geschehen positioniert werden. Recycling Points und farbig einheitlich markierte Behälter oder Container müssen dort aufgestellt sein, wo der Müll bei den Besucherströmen tatsächlich anfällt, also gemäß der Entstehung bei Läufern, Zuschauern, Gewerbetreibenden oder auch im Umfeld von Anwohnern. Deshalb macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, welcher Müll wo anfällt und wie die Besucherströme sich bewegen. Hier ist die Erarbeitung eines Konzepts zur sortenreinen Mülltrennung anzuraten. Darüber hinaus müssen die Sammelinseln auch ausreichend Volumen bereitstellen oder während der Veranstaltungen ausgeleert werden. Bei zu vielen Marathons dominieren überquellende Mülltonnen und herumliegender Müll die Szenerie. Das Sammelverhalten im Gewerbebereich sollte zudem stichprobenartig kontrolliert werden. Sie können auch darüber nachdenken, Gewerbetreibende oder Lieferanten an den Entsorgungskosten zu beteiligen.
Neben einem schlüssigen Sammelkonzept gilt es natürlich auch, auf die eingesetzten Produkte und deren Materialien zu achten. Insbesondere bei den Merchandising-Produkten sollten hohe Qualität und damit Langlebigkeit bzw. Wiederverwendbarkeit im Vordergrund stehen und 100 % recycelbare Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt werden. Diese sollten natürlich frei von Schadstoffen sein und entsprechende Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Dies gewährleisten Sie üblicherweise beim Einsatz von Produkten, die innerhalb der EU hergestellt wurden.
So machen Sie Ihre Laufveranstaltung systematisch nachhaltiger
Der Weg zur nachhaltigen Veranstaltung ist nicht von heute auf morgen zu erreichen. Ebenso wie im Sport gilt hier: es ist eher ein Marathon als ein Sprint.
Sie werden sich jetzt sagen, alles schön und gut, aber wie kann ich das strukturiert und möglichst konkret umsetzen?
Die Antwort darauf sind Umweltmanagementsysteme. Großen Veranstaltern helfen zertifizierte Umweltmanagementsysteme wie z. B. ISO 14001, EMAS oder ÖKOPROFIT hohe Umweltstandards strukturiert und gezielt einzuführen. Diese Managementsysteme erhöhen die Rechtssicherheit und senken die unternehmerischen Haftungsrisiken. Mit Hilfe deren externer Gutachter hinterfragen Sie Ihre selbst gesteckten Ziele und werden damit transparenter und glaubwürdiger. Bestimmte Zertifizierungen werden in Deutschland sogar unter bestimmten Umständen von den Ländern gefördert.
Doch einen Nachteil haben alle dieser Frameworks und Zertifizierungen: sie können nur mit hohem organisatorischen Aufwand eingeführt werden. Für kleinere bis mittelgroße Ausdauersportveranstaltungen gibt es daher eine interessante Alternative für den Einstieg: Ecomapping EMASeasy. Dieser Ansatz ist deutlich weniger aufwändig und hilft auf strukturierte Weise beim Aufbau eines Umweltmanagementsystems durch den Einsatz von standardisierten Formularen. Die EMAS-Zertifizierung verspricht eine erhöhte Umweltleistung in 30 Schritten durch zehn Mitarbeiter in zehn Tagen.
Die Zertifizierung erfolgt in zwei Schritten:
- Ein Anfertigen von Ökokarten (Ecomapping) als visueller Lageplan mit Umweltdaten
- EMASeasy bildet die Basis für den Aufbau eines Umweltmanagementsystems und ermöglicht es – dem Prozess folgend – über standardisierte Formulare die im Ecomapping gesammelten Informationen in prozessorientierten Daten zusammenzufassen.
Bei allen Aktivitäten in diesem Bereich macht es Sinn, innerhalb des Orga-Teams einen Klimaschutzbeauftragten zu benennen, der die Themen adressiert und aus einer ganzheitlichen Perspektive organisiert.
Auf dem Weg zur klimaneutralen Veranstaltung
Ich habe Ihnen jetzt die Relevanz und eine Reihe von Ansatzpunkten und Handlungsfeldern vorgestellt. Diese sollen Ihnen Ideen und Anregungen liefern, als Ausdauersportveranstaltung zunächst besser, aber auf lange Sicht auch wettbewerbsfähig zu bleiben.
Abschließend noch drei Tipps:
- Sehen Sie das Ziel „CO2-neutrales Ausdauerevent“ als langfristig an und gehen Sie es Schritt-für-Schritt an. Sie können von Jahr zu Jahr Ihren CO2-Fußabdruck der Veranstaltung reduzieren.
- Nutzen Sie klimaneutrale und grüne Dienstleister gezielt und achten Sie auf Regionalität.
- Kommunizieren Sie eigene Nachhaltigkeitsziele und erreichte Erfolge in Zusammenarbeit mit Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit.
Ich wünsche Ihnen auf Ihrem Weg zur grünen und CO2-neutralen Laufveranstaltung viel Erfolg und Durchhaltevermögen. Nicht nur Ihre Veranstaltung wird profitieren, sondern auch das Klima und die Umwelt.
Johannes Wüst
Geschäftsführer und Co-Founder von RUNCOVER